Die Rekonstruktion eines steinernen Wachtturms auf
dem Sandberg bei Watzenborn-Steinberg in der Gemeinde Pohlheim
Der Geheimrat Prof. Dr. med. und Dr. phil. Robert Sommer
(1864-1937), Ordinarius für Psychiatrie und Direktor der Klinik für
psychiatrische und nervöse Krankheiten an der damaligen Ludwigs-Universität
Gießen, stieß auf seinen Wanderungen in der Gegend um Gießen auf den
nördlichsten Punkt des Wetterauer Limes an den Gemarkungsgrenzen Grüningen
und Obersteinberg, wo der römische Grenzwall noch einigermaßen erhalten war.
Aus Besorgnis darüber, dass die Flur in der sich dieses Stück des Grenzwalls
befand, durch die fortschreitende landwirtschaftliche Nutzung mit der Zeit
eingeebnet werden könnte, erwarb Prof. Sommer das 250 m lange und 11 bis 15
m breite Stück mit Wall und Graben durch Ankauf; insgesamt ca. 3000 qm.
Hier auf dieser Fläche und zwar an dem Punkt, von dem man einen prächtigen
Blick auf den Schiffenberg (Hausberg von Gießen) und die Umgebung sowie den
nahen Vogelsberg hat, ließ er im Jahre 1912 einen einfachen Stein nach dem
Mainzer Modell eines römischen Soldatengrabes aus der Zeit Kaiser Augustus setzen.
Der Stein trägt die Inschrift "LIMES EMPERII ROMANI - MEMORIAE
ROMANORUM BARBARUS ANNO MDCCCCXII ROBERT SOMMER CUM UXURE CIVIS GISENIS", d.h.
"Grenzwall des römischen Reiches - dem Andenken der Römer von einem Nichtrömer
gewidmet im Jahre 1912, Robert Sommer und Frau, ein Giessener Bürger". Dieser
Stein wird im Volksmund "Barbarenstein" genannt. Prof. Sommer, der Mitbegründer
der Heimatvereinigung Schiffenberg Gießen e.V. im Jahre 1929 war, trug im Jahre
1935 den Grenzwall und den Gedenkstein dem Verein als Stiftung an mit der
Verpflichtung beides zu erhalten. Die Übergabe an die Heimatvereinigung
erfolgte am 10. September 1935; die Betreuung übernahm der Ortsverein
Watzenborn-Steinberg, weil sich dieser Limesabschnitt an der Gemarkungsgrenze
befand. Bis zum Beginn des Krieges - von da ab ruhten die Vereinsaktivitäten
- war der Limes häufig Treffpunkt für die Heimatfreunde, um dort an
Geschichtsvorträgen mit großem Zuspruch aus der Bevölkerung teilzunehmen.
Nach dem Krieg formierten sich die vier Ortsvereine (Hausen, Kleinlinden,
Leihgestern, Watzenborn-Steinberg) wieder, und vom Ortsverein Watzenborn-Steinberg
ging die Anregung aus, auf dem von Prof. Sommer als Stiftung übertragenen Limesstück
- dem nördlichsten Punkt des Limes - die Rekonstruktion eines römischen Wachturms
mit Palisaden und Wall zu errichten. Nachdem die Baupläne nach Beratung durch den
damaligen Bodendenkmalpfleger des Kreises und vom Kreisbauamt in Gießen genehmigt
waren, wurde mit finanzieller Unterstützung durch das Land Hessen, erheblichen
Eigenleistungen und mit Unterstützung durch die Gemeinde mit den Arbeiten Anfang
1966 begonnen. Die Einweihung erfolgte am 28. Mai 1967 im Rahmen eines großen
Volks- und Heimatfestes, das als "Limesfest" in die Geschichte der Heimatvereinigung
Schiffenberg eingegangen ist. Die Festrede hielt der damalige 1. Vorsitzende,
Oberbürgermeister Schneider, Gießen. Der weitere Redner, der damalige Museumsdirektor
der Stadt Gießen, Dr. Herbert Krüger, bestätigte der Heimatvereinigung, dass sie
mit der Erbauung des rekonstruierten Wachturms und der Vervollständigung der
historischen Szenerie durch die Verbesserung bzw. Neuanlegung von Wall, Graben
und Palisaden - auch der bereits 1963 errichteten Schutzhütte in der Nähe - eine
lobenswerte Tat von "großer volksbildender Bedeutung" vollbracht habe.
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