ZurückWeiter   Kastell und Siedlung bei Mainz-Kastel

Kastel ist der einzige Ort in Hessen, der noch heute seinen römischen Namen trägt. Stets war das römische Castellum Mattiacorum auf den Rheinübergang bei Mainz bezogen. Dieser geht auf die Zeit des Kaisers Augustus zurück. Als Drusus 10 v.Chr. in unserem Raum die Feldzüge zur Eroberung Germaniens eröffnete, bauten die Mainzer Legionen eine Brücke, und zwar ungefähr an der Stelle der späteren römischen Steinbrücke. Dieser rechtsrheinische Brückenkopf ist gewiss nicht ohne militärischen Schutz geblieben. Das erste Kastell war vermutlich ein Holzbau, von dem aber keine Spuren mehr bekannt sind.


K = Steinkastell, M =Vicusmauer, T = Thermen, B = Ehrenbogen

Das Brückenkopfkastell aus Holz hat wohl bis zum Vierkaiserjahr 69 n.Chr. gestanden, dann wurde es vermutlich zerstört. Kurz danach um 71 n.Chr. wurde ein kleines Steinkastell von 0,7 ha errichtet, ebenso wurde die Rheinbrücke nun aus Stein erneuert. Neben dem Steinkastell entstand sogleich ein Lagerdorf (vicus), unmittelbar im Nordosten an das Kastell und den Ehrenbogen anschließend. Da der Vicus an einer sehr verkehrsgünstigen Stelle lag, wuchs er während der friedlichen Jahrzehnte des 2. Jahrhunderts weit über seine ursprünglichen Grenzen hinaus. Er bekam einen prächtigen Thermenbau, der an den Aquaedukt des Vicus angeschlossen war.

Kastel ist in der Mitte des 3. Jahrhunderts von den Germanen zerstört worden. Um 300 n.Chr. erhielt Castellum Mattiacorum aber noch einmal seine alte Bedeutung als Brückenkopfbefestigung. Die römische Rheinbrücke ist damals wiederhergestellt worden und benötigte am rechten Rheinufer eine militärische Sicherung. Das weitere Schicksal der Brückenkopffestung ist unbekannt. Aus ihrem Bereich stammt ein Schatzfund aus dem Anfang des 5. Jahrhunderts - der späteste Römerfund Hessens.

Anfang des 1. Jahrhunderts n.Chr. - wahrscheinlich gegen Ende des zweiten Jahrzehnts - errichteten die Mainzer Legionen in Kastel auf Senatsbeschluss einen großartigen, dreitorigen Ehrenbogen, der an den kaiserlichen Prinzen Germanicus und an die römischen Siege über die Germanen erinnern sollte (Zeichnung rechts). Durch das Tor zog schon damals die Straße, die auch später die wichtigste römische Verbindung von Mainz nach Nordosten in die Wetterau blieb. Der Ehrenbogen von Kastel war ein Bauwerk des Reichs von hoher politischer Bedeutung. Weit über die Ehrung eines Mitglieds der Kaiserfamilie hinaus sollte er Triumph und Herrschaftsanspruch des Imperiums über die Germanen symbolisieren. Es gibt kein anderes römisches Bauwerk in Hessen, das ihm an historischem Rang gleichkommt - vergleichbar in seinen Ausmaßen nur mit den Triumphbögen in Rom!

Die Fundamente des Bogens wurden wiederentdeckt, als 1986 die Baugrube für den Neubau des Hauses Große Kirchenstraße 5-13 ausgehoben wurde (Bild oben links). In Zusammenarbeit des Bauherrn, der Archäologischen Denkmalpflege, dem Land Hessen und der Stadt Wiesbaden gelang es, sie vollständig freizulegen und zugänglich zu machen. Heute kann der Keller unter Haus und Straße, in dem die Fundamente erhalten sind, als Museum besichtigt werden. Auf Schautafeln werden der Bogen und sein historisches Umfeld erläutert.

Die steinerne Rheinbrücke zwischen Mainz und Kastel gehörte zu den größten Leistungen der römischen Ingenieurtechnik unseres Raums. Sie lief rund 30 m oberhalb der heutigen Brücke über den Strom. Am Anfang des 19. Jahrhunderts waren die Stümpfe der meisten Brückenpfeiler noch vorhanden. Dann wurden sie jedoch beseitigt, weil sie die Schifffahrt gefährdeten.

Die Brücke war 600 m lang und besaß mindestens 21 Stützpfeiler aus Stein. Sämtliche Pfeiler waren im Grundriss fünfeckig, 18 m lang und 7 m breit (Zeichnung links). Als Fundament diente ein Rost aus mächtigen, eingerammten Eichenpfählen. Der Oberbau mit der 12 m breiten Fahrbahn war vermutlich eine Holzkonstruktion. Die Steinpfeilerbrücke ersetzte um 70/71 n.Chr. eine unter Augustus errichtete Holzkonstruktion. Die Steinpfeilerbrücke hat lange gestanden und musste mehr als einmal repariert werden. Alterung, winterlicher Eisgang, aber auch kriegerische Ereignisse der späteren Zeit haben immer wieder Schäden verursacht. Auf einem bei Lyon gefundenen Bruchstück eines Bleimedaillons aus der Zeit um 300 n.Chr. ist die Brücke samt Mainz und Kastel stark idealisiert dargestellt (Zeichnung rechts unten, Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz).

Noch um 406 n.Chr. scheint die Brücke benutzbar gewesen zu sein, nachdem sie bei den Alamanneneinfällen in der Mitte des 4. Jahrhunderts zerstört worden war. Im Jahr 406 stürmten Vandalen, Alanen und Sueben über sie nach Südwesten vor. Bald darauf ist sie zerstört worden oder wegen Vernachlässigung verfallen. Unter Karl dem Großen erlebte sie eine kurze Wiederherstellung: als nach zehnjähriger Bauzeit alles wieder hergerichtet war, vernichtete im Mai 813 ein gewaltiger Brand in wenigen Stunden das Werk. Es wird der Verdacht überliefert, die brotlos gewordenen Fährleute hätten Feuer gelegt. Mehr als 1000 Jahre dauerte es, bis bei Mainz wieder eine feste Rheinbrücke entstand.

(Aus: "Die Römer in Hessen", 1989, D. Baatz & F.-R. Herrmann)

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