Die römischen Militäranlagen in Altenstadt hatten offensichtlich die Aufgabe, einen wahrscheinlich schon vorrömischen Weg zu sperren, der an der Nidder entlang in den Vogelsberg und weiter nach Fulda führte, sowie den nur 5 km entfernten Glauberg zu überwachen, der in vorrömischer Zeit der Sitz eines Keltenfürsten gewesen war und auf dem nach dem Rückzug der Kelten die Germanen siedelten. Die Römer duldeten aber weder Kelten noch Germanen auf irgendwelchen Höhensiedlungen in oder am Rande ihres Herrschaftsbereiches. Um 1900 als auch in den fünfziger Jahren fanden ausgedehnte Grabungen statt, die sich aber wegen der neuzeitlichen Bebauung hauptsächlich mit der Umwehrung befassten. Heute ist das Kastellareal fast restlos überbaut. Die Geschichte der Fortifikation ist ziemlich kompliziert, da sie sich im Laufe der Jahre von einer kleinen Schanze zu einem Numeruskastell (Numerus = Einheit von etwa 150 Mann) entwickelte. Auf dem rechten Bild sind die verschiedenen Stufen der Entwicklung eingezeichnet. Das Kastell wurde zweimal zerstört: in der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts und beim großen Alamanneneinfall um 233 n.Chr. Ein Inschriftenstein aus dem Jahr 242 n.Chr., der bereits 1603 aus einem Brunen geborgen wurde, lässt vermuten, dass das Kastell bis zum Ende des Limes im Jahre 260 n.Chr. besetzt gewesen war.
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Votivstein mit drei Muttergottheiten (matres) aus dem Kastell Altenstadt, ausgestellt im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt. Votivbilder drückten Wunsch, Dank oder das Gelübte eines Stifters aus, das oft in Form einer Inschrift zu lesen war. (Aus: "Die Römer in Hessen", 1989, |
Altenstadt - ein römisches Limeskastell - von Roland Welcker Der römische Limes verlief durch den heutigen Ort, das Kastell ist sehr gut ergraben worden, heute aber völlig überbaut. Wer sich aber den Stadtplan genauer anschaut, dem wird die räumliche Lage des Kastells auch ohne sichtbare Mauerreste klar. Professor Demandt meint, dass Altenstadt seit der Römerzeit ununterbrochen existiert hat, es ist also wirklich eine "alte Stätte". [Kleiner Exkurs zum Thema "Stadt und Dorf": Der kleine Moritz meint ja, dass ein Dorf, wenn es nur groß genug wird, dann eine Stadt ist. Im Mittelalter konnte ein Dorf nur soweit wachsen, wie es mit seiner Feld-, Wald- und Weidefläche Menschen ernähren konnte. Städte sind entweder planmäßig als Städte angelegt worden oder infolge prosperierender Handwerks- und vor allem Handelstätigkeit mit dem Stadtrecht belehnt worden. Das gab dann potentielle Möglichkeiten der Weiterentwicklung, beispielsweise ist das Marktrecht ein eifersüchtig gehütetes städtisches Recht. Kein Dorf hat je einen Marktplatz besessen. Messe - überregionaler Markt, Jahrmarkt - einmal jährlich zum Umschlag von Luxusgütern, Wochenmarkt - Waren des täglichen Bedarfes.] Der älteste Kern von Altenstadt wird von den Straßen Obergasse (in der unteren Abbildung ist die Bezeichnung vergessen worden), Vordergasse (heute Vogelsbergstraße), Kirchgasse und Hintergasse gebildet, also unmittelbar vor dem Kastell. Während bei Dorfgründungen in der christlichen Zeit die Kirche immer im Mittelpunkt des Ortes steht, ist hier die Reihenfolge anders: Zuerst war das Dorf da, dann kam das Christentum mit der Kirche. Diese steht also nicht zentral, sondern am Ortsrand - ein Beweis für das hohe Alter von Altenstadt. Wo sind denn aber die Steine des Kastells geblieben, die können doch nicht einfach verschwinden? Richtig. Sie sind ja auch noch da, nämlich in den Grundmauern der Häuser. Man hat nach der Römerzeit das Kastell als kostengünstigen Steinbruch benutzt. Und natürlich haben die Leute auch gleich auf den Römermauern ihre Häuser errichtet. Das gilt für die Bebauung der westlichen Seite der Obergasse. Die Straßenbezeichnungen "Im Kastell" und "Auf der Mauer" belegen das noch heute. Beispielsweise hatte die Firma Eberhardt ihr Haus mit Laden am westlichen Ende der Vordergasse stehen. Und jeder, der nach Frankfurt wollte, hatte gefälligst um das Kastell bzw. dessen Ruine einen Bogen zu machen. Den gibt es heute noch in Gestalt der Frankfurter Straße. Es ist einmalig, dass eine Frankfurter Straße eine relativ unbedeutende Seitenstraße ist. Aber früher rollte wirklich der gesamte Fernverkehr in Richtung Frankfurt hier durch, nach einer scharfen Linkskurve, vorbei am Amtsgericht (heute Rathaus). Nach 1970 wurde die Vogelsbergstraße geradlinig weitergeführt. So kommt es, dass der Gasthof "Zum schwarzen Adler" postamtlich Haus Nummer 2 ist, "Annas Wohndesign" gegenüber hat Nummer 1. Die weiter westlich gelegenen Häuser sind der Vogelsbergstraße nicht zugeordnet. Der Limes selbst als Palisadenwall mit Graben verlief entlang der Obergasse, in geradliniger Verlängerung die Straße Altenstadt - Rommelhausen entlang, um dann im Bereich der Kreuzung Waldsiedlung - Höchst im Wald zu verschwinden. Dort ist er großteils noch hervorragend erhalten. Der Bach, der früher sichtbar und heute verrohrt durch Altenstadt fließt, taucht heute hinter dem Bahnhof wieder auf. So ersparten sich die ersten Siedler das Ergraben von Brunnen. Die Straßen "Am Bachstaden" und "Am Stauweiher" bezeichnen die entsprechenden Punkte.
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